Leather
Lane in Holborn, London, 1885
© Luzia Pfyl |
Ich
gehe die Leather Lane entlang, bis ich vor dem richtigen Laden stehe.
Das große Schaufenster trägt den Schriftzug „Lost Treasure
Agency“, doch der Blick ins Innere ist mir durch einen dicken
Vorhang verwehrt. Das Haus selbst besteht aus zwei Stockwerken und
sieht aus wie jedes andere in der Straße. Ich gehe die kurze Treppe
hinauf, öffne die Tür und werde drinnen schon von 2 Personen
erwartet. Die Frau trägt ein modisches, blaues Kleid mit gestepptem
Lederkorsett, ihre braunen Haare sind zu einem eleganten Knoten
gesteckt. Der Mann, der sich soeben aus einem der beiden Sessel vor
dem Schreibtisch erhebt, trägt eine einfache Wollhose, derbe Stiefel
und eine etwas elegantere Hemd-Westen-Kombination. Das müssen wohl
Lydia Frost und Jackson Payne sein.
Frost
(streckt die Hand aus):
Hallo Andrea, schön,
dass du vorbeikommen konntest. Bitte, trete ein. Das ist mein
Partner, Jackson Payne.
Payne:
Freut mich sehr. Setz dich doch. (deutet
auf die Sessel vor dem Schreibtisch)
Frost:
Magst du Tee oder Kaffee? Ich glaube, Helen hat einen Kuchen
vorbereitet heute morgen, extra für unser Interview mit dir.
Ich:
Vielen Dank, dass ich hier sein darf. Ich würde gerne einen Tee
nehmen und Kuchen geht auf jeden Fall immer. Fangen wir doch einfach
mit dem Interview an. Ich hab gelesen, dass ihr beide zusammen diese
Agentur betreibt. Was für Aufträge nehmt ihr denn an und wie ist es
dazu gekommen, dass die Agentur gegründet wurde?
Frost
(wechselt einen kurzen Blick mit Payne): Die
Agentur wurde vor ungefähr einem Jahr von mir gegründet. Ich habe
lange Zeit für die Dragons gearbeitet, aber ich wollte dem
kriminellen Leben den Rücken kehren und meine Talente für Gutes
einsetzen. Da ich gut darin bin, Dinge aufzuspüren, lag es nahe,
eine Detektei zu eröffnen. Payne stieß erst später dazu.
Payne:
Zwischendurch müssen wir aus finanziellen Gründen auch kleinere
oder weniger spannende Fälle wie gestohlene Halsketten oder
verschwundene Haustiere annehmen. Ansonsten machen wir aber fast das
gleiche wie Scotland Yard.
Ich: Klingt auf jeden Fall nach einem aufregenden Job. Da wird es sicher
nicht langweilig. Wie habt ihr euch denn eigentlich kennengelernt und
wie seid ihr Partner geworden?
Payne
(schmunzelt): Das ist eine lustige Geschichte. Ich dachte, Frost
arbeitet für den Feind. Sie dachte dasselbe von mir. Und als die
Dragons plötzlich hinter uns her waren, mussten wir uns
notgedrungen zusammenschließen.
Frost:
Zu dem Zeitpunkt dachte ich, es wäre vielleicht ganz praktisch,
einen ehemaligen Pinkerton mit an Bord zu haben, also bot ich Payne
einen Job an.
Ich:
So kann man sich auch kennenlernen. (lacht)
aber ich hoffe doch, dass da alles gut gegangen ist. Was ist
denn eure aktuelle Mission? Oh, dürft ihr überhaupt darüber
sprechen oder ist das alles streng geheim? Wenn nicht, dann könnt
ihr ja vielleicht von einem anderen spannenden Fall erzählen.
Frost:
Ich nehme an, du liest die Zeitung – hast du von diesen
merkwürdigen Kinderleichen gehört, die seit einigen Wochen aus der
Themse gefischt werden? (ich nicke) Selbst Scotland Yard ist
ratlos, wer dahinter steckt. Aber ich denke, wir sollten uns –
inoffiziell natürlich – daran versuchen.
Payne:
War da nicht noch dieses ...?
Frost:
Oh, ja, das. Genau.
(Beide
schweigen beharrlich)
Ich:
Ah okay, mehr werdet ihr mir wohl nicht verraten. Über die
Kinderleichen hab ich gelesen, das ist wirklich heftig. Ich hoffe,
dass der Täter gefasst wird und das bald. Jetzt hätte ich noch eine
etwas persönlichere Frage. Wie siehts denn in eurem Liebesleben aus?
Gibts da schon jemanden oder seid ihr Single?
Payne:
Nun, ich bin verheiratet ...
Frost
(wird unruhig): Ähm, ich bin Single, aber ich denke, wir sollten
unser Gespräch lieber auf das Geschäftliche konzentrieren.
© pixabay |
Frost:
Nun, ich kann jedes Schloss öffnen. Deswegen war ich auch so gut in
meinem Job als Diebin bei den Dragons. Es gibt einen Grund,
warum Schlösser beinahe von selbst aufspringen, wenn ich meine Hand
drauflege, aber das ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Ich:
Klingt cool, zumindest hat man dann kein Problem, wenn man mal den
Schlüssel vergisst. Zeit für eine kleine Schnellfragrunde. Süß
oder Sauer?
Beide
gleichzeitig:
Sauer.
Ich: Ich mag beides, wobei ich momentan eher süß bevorzuge. Tee oder Kaffee?
Frost:
Kaffee.
Payne:
Definitiv Kaffee.
Ich: Definitiv Tee^^ Kaffee und ich, das passt nicht. Sommer oder Winter?
Payne:
Seit einem gewissen Ereignis hasse ich Winter und Kälte. Also
Sommer.
Frost:
Weder noch. Im Winter drückt die Kälte den Smog in die Straßen, so
dass man kaum atmen kann, im Sommer ist die Hitze unerträglich.
Ich:
Das klingt ja nicht so berauschend. Was haltet ihr von Orakeln?
Frost:
An Orakel glaube ich eigentlich nicht, aber ich bin mit dem I Ging
aufgewachsen. Man könnte sagen, dass das ein chinesisches Orakel
ist, dabei handelt es sich nur um Jahrtausende alte Texte.
Payne:
Frost, es ist ein Orakel. Man wirft Münzen und so.
Frost:
Nur, um die richtige Passage in den Texten zu finden!
Payne
(verdreht die Augen):
Das ist doch alles Humbug.
Frost:
Nur, weil Sie nicht wissen, worum es geht.
© pixabay |
Ich (schmunzelt): Bitte nicht streiten. Ich bin da aber auch eher Paynes Meinung. Lieblingsessen?
Frost:
Hm, Peking Ente, glaube ich. Madame Yuehs Koch verstand wie kein
zweiter, eine perfekte Peking Enge zuzubereiten.
Payne:
Spaghetti mit Tomatensauce und Fleischbällchen. Meine Mutter war
Italienerin und hat ihre Rezepte mit nach New York gebracht.
Ich: Jetzt habe ich aber so richtig Hunger bekommen. Was sind eure Hobbys?
Frost
(schaut zu Payne): Haben wir Hobbys?
Payne:
Sie horten Bücher, Frost. Und Shakespeare, ja.
Frost:
Stimmt, ich gehe sehr gerne ins Theater.
Payne:
Ich fürchte, eines meiner Hobbys ist, auf illegale Boxkämpfe im
Untergrund zu wetten.
Frost:
Und in Schwierigkeiten zu geraten.
Payne:
Da könnten Sie recht haben. (grinst
schief)
Ich: Also das mit den Schwierigkeiten hab ich schon öfter gehört^^ Eine letzte Frage hätte ich noch an euch beide, danach muss ich mich leider schon wieder auf den Heimweg machen. Wenn ihr die Chance hättet, die Autorin eures Buches zu treffen, was würdet ihr ihr sagen wollen?
Frost:
Puh, also erstmal würde ich gerne wissen, warum wir ständig von
einer miesen Situation in die nächste geworfen werden. Ich meine,
was soll das? Da will man einfach mal einen freien Tag genießen und
Bäm!, hier ein Toter, dort ein Attentatsversuch ...!
Payne
(nickt): Und dann gibt sie uns beiden diese klischeebehaftete
tragische Hintergrundgeschichte. Allerdings muss ich zugeben, dass
alles seinen Sinn macht und erstaunlicherweise gut passt. Oder,
Frost?
Frost:
Ja, schon. Und ganz angenehm ist auch, dass sie uns nicht als
Liebespaar schreibt, oder? Das ist sooo überholt. Nicht, dass ich
Sie nicht mag, Payne, im Gegenteil, aber es ist ganz erfrischend.
Ich:
Okay, das werde ich ihr auf jeden Fall ausrichten. Vielleicht lässt
sie euch in Zukunft ja auch mal einen freien Tag. Ich danke euch
beiden herzlich für das Interview. Ich muss jetzt leider schon
wieder los, obwohl ich euer London gerne noch erkunden würde. Es ist
so anders als das, was ich kenne. Naja, vielleicht ein andermal. Ich
wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg für euren aktuellen Fall.
Frost:
Vielen Dank. Es hat uns sehr gefreut, dich kennenzulernen, Andrea.
Pass beim Hinausgehen auf, dass Dr. Baxter dich nicht mit Fragen zu
deiner Zeitmaschine löchert. Er ist unser verrückter
Wissenschaftler vom Dienst. (zwinkert verschwörerisch)
Payne
(schüttelt mir die Hand): War uns ein Vergnügen. Komm gut nach
Hause, ja?
Ich:
Okay, verrückt aussehenden Wissenschaftlern werde ich definitiv aus
dem Weg gehen^^ Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.
Ich
winke den beiden nochmal zu und verlasse dann die Agentur. Draußen
schaue ich mich nochmal kurz um und nehme die Eindrücke von London
1885 in mich auf. Dann muss ich mich beeilen, dass ich pünktlich zu
meinem Portal nach Hause komme.
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Frost und Payne haben mir in dem
Interview einen kleinen Einblick in ihre Geschichte gegeben. Möchtet
ihr mehr über die beiden und ihre Abenteuer erfahren?
Dann solltet ihr euch das Buch „Frost & Payne - Die Jagd beginnt“ von Luzia Pfyl mal genauer anschauen. Mehr Informationen findet ihr auch auf der Webseite der Autorin (👉hier)
Klappentext: Die ehemalige Diebin Lydia Frost eröffnet eine Agentur für Verlorenes und Vermisstes. Ihr neuster Auftrag führt sie ausgerechnet zurück zur berüchtigten Madame Yueh und den ‚Dragons‘, der Organisation, von der sie sich gerade erst hart ihre Freiheit erkämpft hat. Als gäbe das nicht schon genug Probleme, muss sie auch noch den Pinkerton Jackson Payne ausfindig machen. Doch der Amerikaner hat seine eigenen Aufträge. Frost steht plötzlich im Kreuzfeuer und muss sich zwischen Paynes Leben und ihrer Freiheit entscheiden. [Cover-/Textquelle: Greenlight Press]
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