In einem kleinen Cafe in Göppingen
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Ich: Hey, ihr müsst Jan Giessmann und Kadir Akkan sein. Entschuldigt bitte die Verspätung, meine Bahn hatte Verspätung. Ich bin Andrea und freue mich, dass ich Euch heute Interviewen darf.
Kadir: Hey, Andrea, freut mich! (erhebt sich kurz und bietet mir mit einem breiten Lächeln den freien Stuhl neben sich an) Ich bin Kadir.
Jan: Hallo, Andrea. Jan, freut mich.
Ich setze mich zu den beiden an den Tisch und schon steht auch schon ein Kellner neben mir. Ich bestelle ein Stück Erdbeertorte und einen Früchtetee, dann wende ich mich meinen beiden Interviewpartnern zu.
Ich: Ihr beide arbeitet ja beim SEK Baden-Württemberg, dem Spezialeinsatzkommando. Was kann ich mir denn darunter vorstellen – wofür ist die Einheit zuständig und wie genau sieht euer Arbeitsalltag aus?
Die beiden tauschen einen kurzen Blick. Kadir lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und grinst Jan auffordernd zu.
Jan: Das Spezialeinsatzkommando kommt bei besonderen Gefährdungslagen zum Einsatz, dabei arbeiten wir sowohl präventiv, versuchen also, Lagen bereits im Voraus zu sichern, als auch operativ, greifen also ein, wenn es bereits brenzlig ist. In den Medien wird das Bild vermittelt, dass unser Hauptaufgabengebiet Geiselnahmen und Entführungen seien. Das kommt selbstverständlich vor, aber unser Aufgabengebiet ist viel breiter gestreut: Vollstreckungen von Haftbefehlen, Schutz von Staatsdienern, Verhinderung von Suizidversuchen, Begleitung von Gefangenentransporten, Razzien und Durchsuchungen, Zeugenschutzmaßnahmen…
Ich: Das klingt auf jeden Fall nach einem vielseitigen Arbeitsbereich, aber auch wirklich gefährlich. Wieso habt ihr euch eigentlich für diese Polizeieinheit entschieden? Es gibt ja noch einige andere, die BFE durfte ich bei Nils und Erik ja auch schon kennenlernen.
Kadir: Das ist eine gute Frage. Die gängige Antwort wäre wohl, wir brauchen den Nervenkitzel, aber es ist mehr als das. Ich bin Polizist geworden, um meinen Teil für eine etwas sicherere Welt beizutragen. Und gerade beim SEK kommt man oft in Situationen, in denen es um den Schutz von Leib und Leben geht. Wenn ich mit meinen Kollegen aus einem schwierigen Einsatz herausgehe und wir die Lage klären konnten, ohne dass jemand verletzt wurde, habe ich das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles getan zu haben.
Jan: Ich bewundere Kadir ja für diese Einstellung und ich muss gestehen, dass meine Antwort weniger vorbildlich klingt: Mich hat in erster Linie die Vielseitigkeit der SEK-Beamten gereizt. Kein Arbeitstag ist wie der andere, man muss sich immer wieder auf neue Gefährdungslagen und auf neue Täterprofile einstellen. Außerdem ist der Beruf körperlich wie emotional anstrengend. Es ist in gewisser Weise „Arbeiten am Limit“. Das hat mir lange Zeit viel gegeben…
Jan verstummt und nimmt einen großen Schluck von seinem Cappuccino.
Ich: Das ist wirklich eine tolle Einstellung, Kadir. Aber ich kann deine Beweggründe auch sehr gut verstehen, Jan. Es kommt ja vor, dass Polizisten im Einsatz ihr Leben verlieren. Wie geht ihr denn damit um? Ich kann mir das ja gar nicht wirklich vorstellen, aber es ist bestimmt nicht einfach, danach noch so mir nichts dir nichts wieder in den Dienst zu gehen. Wenn euch das zu persönlich ist, dann müsst ihr auch nicht antworten.
Kadirs Blick gleitet zu Jan, der mit in Falten gelegter Stirn in seinen Cappuccino starrt.
Kadir: Mit dem Tod im Allgemeinen und mit dem Tod eines Kollegen im Speziellen muss sich jeder von uns befassen. Oft bleibt es – zum Glück – nur Theorie, aber wenn es passiert, dann … Tja, einerseits muss jeder seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen, aber es ist definitiv wichtig, dass man in Momenten wie diesen Rückhalt hat. Das kann durch Familie sein, durch Freunde oder die Kollegen. Und selbstverständlich gibt es polizeiintern professionelle Anlaufstellen. Man muss eine Balance finden zwischen dem notwendigen Respekt vor möglichen Konsequenzen eines jeden Einsatzes und der inneren Freiheit, sich nicht von Erfahrungen wie diesen vereinnahmen zu lassen. So schwer es fällt und so hart es klingt: Im Einsatz selbst haben negative Gedanken nichts verloren.
Jan: Ich denke, damit ist alles gesagt. Sorry, wenn ich nicht näher drauf eingehe.
Ich: Das musst du auch nicht. Ich denke, ich habe auch so zumindest einen kleinen Einblick bekommen. Habt ihr denn besondere Rückzugsorte, wenn ihr mal nicht arbeiten seid und eure Ruhe haben wollt? Zum Beispiel bei der Familie, bei Freunden oder ganz woanders?
Dieses Mal ist Jan es, der einen langen Blick zu Kadir wirft.
Jan: Vorsicht, Kitschalarm! Kadir ist mein Rückzugsort, bei ihm zu sein, erdet mich. Und beim Sport kann ich mich auspowern und den Kopf freipusten. Und wenn das alles nichts hilft, lasse ich ihn mir von meinem besten Freund Nik wieder geraderücken.
Kadir: Schön gesagt. Ich weiß gar nicht, ob ich den einen Rückzugsort für mich habe. Mein kleines, aber sehr genau ausgewähltes Umfeld ist mir sehr wichtig. Bei diesen Leuten kann ich abschalten.
Ich: Ja, das geht mir ähnlich. Ich habe auch so meine Leute, bei denen ich gerne bin und wo ich mich wohlfühle. Sport habt ihr ja eben schon angesprochen - wie haltet ihr euch denn fit für den Beruf?
Jan: Das Schöne beim SEK ist ja, dass Sport Teil der Arbeit ist. Trotzdem kenne ich fast keinen Kollegen, der nicht auch im Privaten trainiert. Ich selbst mache seit Jahren Krav Maga. Ansonsten bin ich eher der Draußen-Sport-Typ – Fahrrad fahren, joggen… Fitnessstudio ist nicht so meins.
Kadir: Kampfsport ist ein wichtiger Punkt, wobei wir das natürlich auch innerhalb des polizeiinternen Trainings machen. Durch Jan bin ich ebenfalls zum Krav Maga gekommen. Ansonsten mache ich regelmäßig Kraftsport und gehe laufen.
Ich: Von Krav Maga habe ich schon mal gehört, aber ehrlich gesagt habe ich mich damit nie beschäftigt. Sollte ich mal machen (grinst) Zeit für eine kleine Schnellfragerunde, ich hoffe, ihr seid bereit. Süß oder Sauer?
Kadir: Mmh… Herzhaftes.
Jan: Süßes, definitiv.
Ich: Hat beides gerade seinen Reiz. Tee oder Kaffee?
Kadir: Morgens und zum Kuchen Kaffee, ansonsten Tee oder Kaltes.
Jan: Kaffee – außer Kadir findet, ich hätte mal wieder Tee nötig.
Ich (schmunzelt): Ich bin absolut immer für Tee zu haben. Buch oder Film?
Jan: Film!
Kadir (grinst): Kommt auf den Film und die Gesellschaft an.
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Kadir: Definitiv Katze!
Jan (grinst): Hund. Sorry.
Ich (schmunzelt): Also ich mag beides^^ Lieblingsessen?
Kadir: Die gefüllten Auberginen meiner Schwester.
Jan: Ich traue es mich als Nordlicht ja kaum zu sagen: Rahmschnitzel mit Spätzle.
Ich: Ein Rahmschnitzel nehm ich auch, bei Auberginen laufe ich eher davon. Was sind eure Hobbys?
Jan: Sport und nochmal Sport. Ansonsten ganz unspektakuläre Dinge: Kino, Abende mit Freunden, im Sommer grillen am See…
Kadir: Sport, meine beiden Katzen, Klettern – ist eigentlich auch Sport – und einfach Zeit mit Jan verbringen.
Ich (grinst): Klingt sehr sportlastig. Eine letzte Frage habe ich noch an euch, dann ist das kleine Kreuzverhör auch schon beendet. (zwinkert) Wenn ihr die Chance hättet, die Autorin eures Buches zu treffen, was würdet ihr ihr sagen wollen?
Jan (seufzt): Ich würde sie fragen, warum sie es uns manchmal so verdammt schwer gemacht hat. Wobei… nein, es wird schon seinen Grund haben…
Kadir (greift nach Jans Hand): Wie er gesagt hat: Es ist schon gut so, wie es ist.
Ich: Das klingt irgendwie nicht so berauschend, aber ich kann es verstehen. Das Leben ist leider nicht immer einfach. Ich danke euch für das Interview. Es hat mir wirklich Freude gemacht, wieder eine neue Einheit der Polizei ein bisschen näher kennen zu lernen. Ich bin ja schon gespannt, wer und welche Einheit als nächstes dran ist. Ihr wisst nicht zufällig mehr darüber? (zwinkert)
Die beiden tauschen einen vielsagenden Blick.
Kadir: Man hört ja so Gerüchte… Schau doch nochmal in die Schnellfragerunde. Ich sage nur so viel: Katzen haben wir bei der Polizei nicht.
Jan: Nun aber genug der Andeutungen. War schön, dich kennenzulernen, Andrea.
Kadir: Ja, hat mich auch gefreut. Mach’s gut!
Ich winke den beiden nochmal zum Abschied und verlasse dann das Cafe wieder. Das war definitiv wieder ein spannendes Interview gewesen. Jetzt habe ich noch ein bisschen Zeit, mich hier umzuschauen. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch hier und bin gespannt, wer mich da erwarten wird.
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Kadir und Jan haben mir in dem
Interview einen kleinen Einblick in ihre Geschichte gegeben. Möchtet
ihr mehr über ihre Geschichte und ihren Job bei der SEK erfahren?
Dann solltet ihr euch das Buch „Sheltered in blue – Wenn Erinnerungen lähmen“ von Svea Lundberg mal genauer anschauen. Mehr Informationen findet ihr auch auf der Webseite der Autorin (👉hier)
Dann solltet ihr euch das Buch „Sheltered in blue – Wenn Erinnerungen lähmen“ von Svea Lundberg mal genauer anschauen. Mehr Informationen findet ihr auch auf der Webseite der Autorin (👉hier)
Klappentext: Amokalarm, Geiselnahmen, Razzien – wenn das Spezialeinsatzkommando gerufen wird, ist die Lage nicht selten lebensbedrohlich. Umso wichtiger ist es für die Beamten, sich im Einsatz blind aufeinander verlassen zu können. Doch was passiert, wenn das innere Gefüge eines Einsatztrupps durch einen dramatischen Vorfall auseinandergerissen wurde?
Bereits bei Dienstantritt beim SEK Baden-Württemberg weiß Kadir, welcher Schatten auf der Einheit liegt: Vor kurzem kam einer der Kollegen bei einem Einsatz ums Leben. Kadir ist klar, dass der Trupp ihn nicht himmelhochjauchzend in Empfang nehmen wird. Doch speziell einer der neuen Kollegen verhält sich ihm gegenüber ohne ersichtlichen Grund mehr als abweisend. Zunächst versucht Kadir, es als Lappalie abzuhaken, doch Jans Verhalten macht ihm zunehmend zu schaffen. In Jans Innerem scheint mehr im Argen zu liegen, als dessen langjährige Kollegen dem Neuen anvertrauen wollen. Als bei einem Einsatz die Lage zu eskalieren droht, sieht Kadir sich gezwungen, Jans dunkles Geheimnis ans Licht zu holen.
[Cover-/Textquelle: Svea Lundberg]
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