Samstag, 5. August 2023

ProtaTalk mit Jae-Sun & Henry aus "You are my sun"

New York, Queens

Heute verschlägt es mich mal über den Ozean hinweg. Aber auch wenn die Reise etwas beschwerlicher war, freue ich mich schon auf meine heutigen Interviewpartner und den Laden, den ich euch vorstellen darf.

Endlich bin ich an meinem Ziel angekommen: dem Tori to Neko. Ein Otaku-Laden, in dem man beinahe alles über Mangas und Animes findet. Da bin ich ja gut aufgehoben und habe mir extra viel Zeit zum Stöbern eingeplant. Auf gehts! 

Und wow! Hier könnte ich mich glatt wie zu Hause fühlen. An den Wänden entdecke ich deckenhole Regale mit Mangas, sogar eine extra Yaoi-Ecke gibt‘s. Da muss ich nachher definitiv mal genauer stöbern gehen. Zwischendrin gibts viele Tische und Auslagen mit verschiedenstem Merch. Und dahinten entdecke ich sogar eine Gacha-Maschine. Da die Zeit ein bisschen drängt, kann ich keine Kugel ziehen, sondern gehe zum Tresen, um nach dem Eigentümer zu fragen.

Ich: Hallo. Ich bin auf der Suche nach dem Eigentümer, Jae-Sun. Ich bin Andrea und wir sind zum Interview verabredet.

 Tori: Hey, schön, dass du hergefunden hast. Jae-Sun wartet schon im Sommerpausenraum auf dich. Dort ist die Aussicht viel schöner.

Dank Toris Beschreibung finde ich die Feuertreppe auf der Rückseite des Gebäudes schnell. Sie führt mich hoch auf ein Flachdach mit Blick auf Manhattan am Horizont. Unter einem Sonnenschirm, der eine Sitzecke überspannt, warten schon ein asiatisch aussehender Mann mit strubbeligem braunen Haar und mandelförmigen Augen sowie ein weiterer, sehr großer Mann mit schulterlangem, blonden Haaren auf mich. Das müssen Jae-Sun und Henry sein, meine beiden heutigen Interviewpartner.

Jae-Sun: Hallo Andrea, setz dich doch. Wir haben schon Snacks und etwas Kaltes zu trinken bei Madame Wong gegenüber besorgt.

Auf dem kleinen Tisch entdecke ich eine Auswahl von asiatischen Süßigkeiten, die so kunstvoll verziert sind, dass man sie mit einer Dessertgabel isst, sowie Matcha-Eistee. Jae-Sun bietet mir einen der drei Becher an, den ich dankend entgegen nehme.

Ich: Vielen Dank, dass ich euch beide heute interviewen darf. Ich habe eben schon mal kurz im Laden gestöbert und bin wirklich beeindruckt. Da muss ich nachher noch ein bisschen intensiver meine Zeit verbringen. Jae-Sun, du bist ja der Eigentümer des Tori to Neko. Wie ist es dazu gekommen, dass du einen eigenen Laden eröffnet hast?

Jae-Sun: Es war immer mein Traum, eines Tages ein eigenes Geschäft zu führen, ich kann dir gar nicht sagen, warum. Andere Kinder wollten Astronaut werden oder Schauspielerin, aber ich fand, sich etwas Eigenes aufzubauen, schon immer faszinierend. Die Idee mit den Büchern kam mir erst später, weil man das am besten verkaufen kann, wofür das eigene Herz schlägt, und ich liebe es, zu lesen.

Ich: ich finde es definitiv auch faszinierend, auch wenn ich selbst wohl die Muse dazu hätte. Was macht dir bei der Arbeit hier im Laden am meisten Spaß?

Jae-Sun: Der Kontakt mit den Menschen. Die vielen kleinen Geschichten und Leben, die sich im Laden verknüpfen. Die Tage, wenn eine Buchempfehlung jemand aufmuntert, Hoffnung gibt oder einfach nur das Gefühl, das man nicht ganz allein mit seinen Problemen ist.

Ich: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich arbeite ja selbst mit Menschen und gerade diese vielen kleinen Momente und Geschichten sind etwas Wundervolles. Ich habe mir sagen lassen, dass du, Henry, damals der erste Kunde warst, der den Laden nach der Eröffnung betreten hat. Was hat dich denn hierein verschlagen?

Henry: Früher war dies eine Videospielhalle, als Teenager habe ich hier Stunden mit meinem Schulfreund verbracht. Und da ich … einer Person versprochen habe, sie an der Gacha-Maschine wieder zu treffen, bin ich jeden Freitag aufgetaucht. Als der alte Inhaber verstarb, wusste ich nicht weiter, wie sollte ich mein Versprechen einlösen? Doch dann eröffnete an jenem Freitag der Otaku-Store, ich ging hinein und da stand sie, an genau derselben Stelle: die alte Gachapon.

Jae-Sun: Zum Glück habe ich die Gacha-Maschine übernommen. Sie ist der Grund, warum wir uns kennengelernt haben.

Ich: Deine Treue ist bewundernswert. Und umso schöner, dass die Maschine immer noch da ist. Eine Frage noch an dich, Jae-Sun. Ich habe draußen ein Schild gesehen, dass ihr auch mal Aktionen macht. Erzähl mal ein bisschen davon!

Jae-Sun: Die Shopping-Street, in der mein Laden angesiedelt ist, ist eine eng verknüpfte Community. Ein paar der Familien hier kennen mich schon seit meiner Geburt. Wir sind nicht nur ein Viertel, sondern eine Gemeinschaft. Als ich das Tori to Neko eröffnet habe, habe ich so viel Unterstützung erhalten, dass ich davon etwas zurückgeben wollte. Die Geschäfte der Shopping Street richten kleinere Sommerfeste aus, wir machen Tombola- und Stempelkarten-Aktionen und hier im Laden findet einmal im Monat eine Veranstaltung für Künstler statt. Es kommen zum Beispiel Manga-Autoren, um ihre Arbeit vorzustellen und mit den Leuten hier zu zeichnen, wir hatten schon Autoren, die aus ihren Büchern gelesen haben und demnächst gibt es das Meet&Greet einer aufstrebenden Band!

Ich: Das klingt richtig gut und nach einer tollen Gemeinschaft. Gehen wir mal ein kleines bisschen ans Eingemachte. Wie siehts denn in eurem Liebesleben aus? Und nein, ihr müsst nicht antworten, wenn ihr nicht wollt.

Statt einer Antwort legt Henry den Arm um Jae-Sun und zieht ihn so dicht wie möglich an sich, bevor er den Blick über das Dach schweifen lässt. Mir entgeht jedoch nicht, dass sich seine Wangen rot färben.

Jae-Sun: Das ist das Zeichen für: Ich soll das beantworten. *lacht* Wir sind fast zweieinhalb Jahre umeinander herumgeschlichen und haben uns nicht getraut, zu gestehen, was wir füreinander empfinden. Man sagt ja, das die erste Verliebtheit und das erste Nicht-voneinander-lassen-können mit der Zeit verfliegt, aber bei uns nicht, frag mal ein paar unserer anderen Stammkunden im Laden oder Tori.

Und was den Sex betrifft: Ich wache morgens in den Armen des Mannes auf, den ich liebe, nackt – ich sehe an deinem Blick, dass du dich das fragst – und denke: Verdammt, ich bin so unglaublich glücklich und dankbar, dass wir für unsere Beziehung gekämpft haben.

Henrys Wangen färben sich noch ein bisschen dunkler, aber Jae-Sun verschränkt nur die Finger ihrer freien Hände miteinander und drückt sanft zu.

Ich: Ganz so detailliert hätte ich das jetzt nicht unbedingt gebraucht^^ *schmunzelt* aber es freut mich zu sehen, dass ihr beiden einander gefunden habt. Kommen wir zu einer kleinen Schnellfragerunde. Euer liebster Manga?

Jae-Sun: „My Happy Marriage, auf Deutsch heißt der glaube ich „Meine ganz besondere Hochzeit“. Wunderschöne Kimonos, eine Cinderella-Geschichte und ein schweigsamer ML mit einem ganz großen Herzen. Und die Lightnovel ist genauso toll wie der Manga. 

Henry: Under the Oak Tree. Auch da gibt es eine Buch-Version dazu.

Jae-Sun: Riftan hat es dir angetan, was? Verstehe ich. Groß und mürrisch und geheimnisvoll. *lacht*

Henry: Eigentlich, wie Maxi sich langsam aus ihrem Schneckenhaus wagt.

Ich: „Meine ganz besondere Hochzeit“ ist mir ein Begriff, dazu gibt’s jetzt auch einen Anime. Das andere muss ich unbedingt mal googlen. Hund oder Katze?

Jae-Sun: Katze, ganz eindeutig. Snow und Storm würde ich für nichts in der Welt tauschen wollen.

Henry nickt zustimmend.

Ich: *schmunzelt* Tee oder Kaffee?

Jae-Sun: Tee, am liebsten Grüntee. Kaffee wirkt bei mir wie drei Energydrinks auf ex.

Henry: Beides, mit Tee assoziiere ich eher einen entspannten Tag, Urlaub. Kaffee macht wach und hält einen konzentriert.

Ich: Bei mir geht ohne Tee gar nichts^^ Sommer oder Winter?

Henry schnaubt bloß, sodass sein Partner die Antwort übernimmt.

Jae-Sun: Weder noch. Im Sommer ist New York furchtbar heiß, ohne Klimaanlage geht hier nichts, während im Winter man von Schnee begraben wird und es so kalt ist, das man drei Schichten Kleidung braucht. Frühling und Herbst sind toll.

Henry: Weihnachten ist schön, wenn alles bunt geschmückt ist und der riesige Weihnachtsbaum am Rockefeller Center aufgebaut ist.

Jae-Sun: Oh ja, das stimmt, wir nehmen die Jahreszeit Weihnachten mit dazu.

Ich: Warum auch nicht^^ Lieblingsessen?

Jae-Sun: Alles, was Henry kocht.

Henry: Hm … Algen-Zucchini-Pancakes und selbstgebackenes, noch warmes Sauerteigbrot mit Butter, die aufgrund der Wärme zerläuft.

Ich: Hmm… jetzt bekomme ich Hunger^^ Eine letzte Frage habe ich noch an euch. Wenn ihr die Autorin eures Buches treffen könntet, was würdet ihr ihr sagen wollen?

Jae-Sun: Es wäre wirklich sehr viel leichter gewesen, wenn ich den Mega-Million-Lotterie-Jackpot gewonnen hätte.

Henry: Danke, dass du mich nicht aufgegeben hast und unsere Geschichte in einer Schublade verschwand.

Jae-Sun: Oh Gott, jetzt fühle ich mich schlecht. Henry, ich mache einen Scherz und du antwortest so ernst und aufrichtig, kann ich meine Antwort zurücknehmen? Ich mein, klar, es war nicht immer leicht, aber letzten Endes mag ich, in welche Richtung sich unsere Leben entwickelt haben.

Henry: Ich vermute, unsere Autorin hat viel von dir – oder du von ihr? – und weiß ganz genau, wie du das meintest.

Ich: *schmunzelt* ich werde ihr das ausrichten. Ich danke euch für eure Zeit und die Antworten auf meine Fragen. Ich weiß, ich bin immer sehr neugierig. Ich werde jetzt noch ein bisschen im Laden stöbern gehen und danach die Stadt unsicher machen. Euch wünsche ich noch einen schönen Tag.

Jae-Sun: Und schau danach unbedingt noch in den umliegenden Geschäften vorbei, ich hab der Granny-Mafia Bescheid gesagt, sie warten schon auf dich.

Henry: Sunshine …

Ich: Auweia *lacht* dann werde ich wohl meine Zeit heute in dieser Shopping-Street verbringen. Ich bin mir sicher, es gibt genügend zu entdecken.

Die beiden begleiten mich noch zurück in den Laden – und dann kann die Stöbertour endlich beginnen.

 

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Jae-Sun und Henry haben mir in dem Interview einen kleinen Einblick in ihre Geschichte gegeben. Möchtet ihr mehr über die beiden und das Tori to Neko erfahren? 

Dann solltet ihr euch das Buch „You are my sun“ von Cornelia Franke mal genauer anschauen. Mehr Informationen findet ihr auch bei der Autorin (👉 hier). Oder ihr stöbert mal in meiner Rezension 😉


Klappentext: Jae-Sun hat der Liebe abgeschworen. Stattdessen hat er sich seinen Traum eines eigenen Otaku-Stores erfüllt und in der LGBTQ-Community von Queens eine Zweitfamilie gefunden. Zwar schwärmt er seit zwei Jahren für einen seiner Stammkunden, der vermutlich hetero ist, aber was ist schon dabei? Bisher hat niemand Jae-Sun aufrichtig gewollt, warum sollte es bei Henry anders sein? Jeden Freitag hofft Henry, dass er im Store Nicky wiedersieht. Stattdessen trifft er immer auf Jae-Sun, der sich weder von seiner kalten Fassade noch den knappen Antworten abschrecken lässt. Mit jedem Buchtipp, jedem Lächeln wächst in Henry eine tief verborgene Sehnsucht, die er sich nicht erlauben darf. Selbst wenn Jae-Sun seit Langem ein wenig Sonnenschein in sein tristes Dasein bringt ... [Cover-/Textquelle: Cornelia Franke]
 
Bildquellen:
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Süßes © pixabay
Manga © altraverse

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